Guangzhou – Forschern aus China ist es mit einer neuartigen „Basen-Reparatur“ gelungen, den Gendefekt einer Beta-Thalassämie in menschlichen Embryonen zu reparieren. Laut ihrem Bericht in Protein & Cell (2017; doi: DOI 10.1007/s13238-017-0475-6) wurden die Embryonen jedoch nicht implantiert.

Die Beta-Thalassämien werden durch Mutationen im Gen für das Beta-Globin (HBB) auf dem Chromosom 11 hervorgerufen. Die Folge ist eine verminderte Produktion oder auch ein vollständiger Ausfall des Beta-Globins, von dem jeweils zwei Exemplare zusammen mit zwei Alpha-Globinen das Hämoglobin-Molekül bilden. Von den mehr als hundert bekannten Mutationen ist die Variante HBB-28 in China am weitesten verbreitet. Bei ihr ist an Position 28 ein Adenin durch ein Guanin ausgetauscht.

Wenn nur eines der beiden HBB-Gene betroffen sind, verläuft die Erkrankung relativ milde als Thalassaemia minor. Eine Therapie ist häufig nicht nötig. Sind beide Allele defekt, kommt es jedoch zur Thalassaemia major, die unbehandelt in den ersten Lebensjahren zum Tod führt.

Ein Team um Junjiu Huang von der Sun Yat-sen University in Guangzhou, dem früheren Kanton, hatte bereits 2015 versucht, den Gendefekt zu reparieren. Die Forscher hatten damals die Genschere CRISPR-Cas9 verwendet. Dieser Genom-Editor ist jedoch nur in der Lage, ein Gen an einer gewünschten Stelle zu durchschneiden. Den Einbau der korrekten Version übernehmen zelleigene Enzyme. Da es sich um einen homozygoten Gendefekt handelte, mussten die Forscher in ihren Experimenten die korrekte Version des Gens mit in die Eizelle injizieren. Die Erfolgsrate war minimal.

Für ihre neuen Experimente sind die Forscher auf einen anderen Genom-Editor gewechselt, der als Basen-Editor bezeichnet wird. Er ist anders als CRISPR-Cas9 in der Lage, einzelne Basenpaare an der gewünschten Stelle auszutauschen. Für die Experimente setzten sie einen Basen-Editor ein, der einen Austausch von Guanin nach Adenin durchführt und damit die Mutation rückgängig macht.

Die Forscher führten ihre Experimente zunächst an Zelllinien durch, wobei sie verschiedene Basen-Editoren einsetzten. Die Basen-Editoren unterscheiden sich in ihrer Genauigkeit. Keiner ist hundertprozentig präzise. Das Problem ist die Ziel­genauigkeit. Wenn die Basen-Editoren von den Sonden an die falsche Stelle geführt werden, können sie neue Mutationen verursachen, statt den gewünschten Gendefekt zu reparieren.

Für ihre abschließenden Experimente mussten die Forscher zunächst Embryonen „konstruieren“, die den Gendefekt HBB-28 haben. Sie entnahmen einem Patienten, der aufgrund einer HBB-28-Mutation an einer Thalassaemia major erkrankt war, eine Hautprobe, isolierten die Fibroblasten, entnahmen diesen Zellen die Chromosomen und injizierten sie in eine Eizelle, deren Erbgut sie zuvor entfernt hatten. Dieser nukleare Genomtransfer hätte zur Entwicklung eines Embryos mit einer Thalassaemia major geführt. Um dies zu verhindern, wurde der Basen-Editor in die Eizelle injiziert.

Die Genreparatur gelang nicht immer. Von 48 untersuchten Blastomeren (Zellhaufen, die von insgesamt 20 Embryonen entnommen wurden) wiesen noch 37 die Mutationen auf. Bei den übrigen elf Embryonen (22,9 Prozent) war die Reparatur jedoch gelungen, bei acht der elf Embryonen hatte der Basen-Editor sogar beide Allele repariert.

Die Reparatur gelang jedoch nicht in allen Zellen des Embryos. Die Forscher hatten Embryonen mit einem genetischen Mosaik erzeugt. Nur etwa 20 Prozent der Zellen hatten reparierte Gene. Dieser geringe Anteil könnte laut Huang jedoch ausreichen, um bei dem Patienten später den Schweregrad der Thalassaemia major abzuschwächen.

Klinische Experimente sind vorerst nicht geplant. Keiner der Embryonen wurde implantiert. Die chinesischen Forscher wollen ihre Methode zunächst weiter perfektionieren, bevor sie Paaren, die das Thalassämie-Gen tragen, zu einem gesunden Kind verhelfen wollen. © rme/aerzteblatt.de

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